Mostviertel will wieder durchstarten (Bericht in der BKZ)

Neuer Vorstand und neue Geschäftsführung

Mit einer neuen Geschäftsführerin sowie einem neuen Vorstandsteam hat sich das Schwäbische Mostviertel für die Zukunft einiges vorgenommen: neue Produkte entwickeln und vermarkten, Aktionstage rund um Streuobstwiesen planen und sich besser vernetzen.

Rems-Murr. In der Region prägen Streuobstwiesen das Landschaftsbild stark, doch es werden immer weniger. Viel Aufwand und gleichzeitig wenig Ertrag erschweren die Bewirtschaftung ebenso wie die Misteln, die sich immer weiter ausbreiten und so manchem ungepflegten Obstbaum zum Verhängnis werden. Der Verein Schwäbisches Mostviertel hat es sich seit der Gründung 2015 eigentlich zum Ziel gesetzt, die Streuobstwiesen als Kulturgut zu erhalten (siehe Infokasten). Doch in den vergangenen zwei Jahren wurde es still um den Verein. Nicht nur die Coronapandemie erschwerte den Austausch unter den Mitgliedern. Nun will sich das Schwäbische Mostviertel aber neu strukturieren und mit neuem Vorstandsteam sowie neuer Geschäftsführung wieder voll durchstarten.

Da der bisherige Vorsitzende, Weissachs Bürgermeister Ian Schölzel, nach Waiblingen wechselt und es weitere personelle Neuerungen in den Mitgliedsgemeinden gab, hat sich das Schwäbische Mostviertel bei Vorstandswahlen im März neu aufgestellt. Dem Verein steht nun Backnangs Baudezernent Stefan Setzer vor. Und seit November vergangenen Jahres wurde auch die Stelle der Geschäftsführerin des Vereins nach fast zwei Jahren Vakanz wieder besetzt. Nadine Thoman vom Stadtplanungsamt übernimmt diesen Posten. In den vergangenen Monaten wurden schon einige Ziele und Projektideen ausgearbeitet. Ein Ziel ist beispielsweise der Aufbau einer Erzeugergemeinschaft für Biostreuobst. „Wenn sich hier viele private Stücklebesitzer zusammentun, haben sie auf dem Markt mehr Möglichkeiten“, sagt Stefan Setzer. Man könne so neue Absatzwege mit höherer Wertschöpfung erreichen und auch überregionale Kooperationen eingehen. Dabei spiele auch die Vermarktung der Erzeugnisse und Produkte eine Rolle. „Wir wollen das Schwäbische Mostviertel als Marke etablieren. Es geht darum, dass die Produkte von den hiesigen Streuobstwiesen auch in den Läden der Region zu finden sind“, sagt Setzer. Das habe es zum Teil früher schon gegeben, sei in den vergangenen Jahren vom Verein aber nicht weiter forciert worden.

Produkte gemeinsam entwickeln und Ideen der Stücklesbesitzer aufgreifen

Bei den Produkten handle es sich – anders als der Vereinsname es vermuten lässt – aber nicht nur um Most. So gab es neben Apfelsaft bereits Cidre, Walnussöl, Birnenchutney und einen Obstbrand. In der Zukunft sollen aber noch weitere Produkte dazukommen. Die Ideen dazu, so Setzer, sollen auch von den Stücklesbesitzern kommen können. „Als Schwäbisches Mostviertel helfen wir dann, die Produkte tatsächlich zu entwickeln, zu etablieren, Vertriebskanäle zu finden und gebündelt in den Handel zu bringen“, erklärt Nadine Thoman, die seit November die neue Geschäftsführerin des Vereins ist. Auch wenn sie auf neue Ideen von den Besitzern der Wiesen und der Vereinsmitglieder hoffe, gibt es auch schon einige Produkte, an denen gearbeitet wird, zum Beispiel ein Mostkäse.

Ganz oben auf der Agenda des Schwäbischen Mostviertels steht aber nicht der wirtschaftliche Aspekt, sondern die Erhaltung von Streuobstwiesen. Doch Obstbäume haben es aktuell nicht einfach, viele werden zu wenig gepflegt und sind stark von Mistelbefall betroffen. „Eines unserer Ziele ist die Mistelbekämpfung“, sagt der Vorsitzende. Mit einer App soll per „Crowd-Kartierung“ herausgefunden werden, wo es Pflegerückstand oder Mistel-Hotspots gibt. „Da gehen wir dann auch auf die Besitzer zu und bieten einen Leitfaden für den Mistelschnitt an oder organisieren Hilfe über Obst- und Gartenbauvereine, sofern die Bäume noch zu retten sind“, erklärt Setzer. Wenn die Obstbäume bereits zu viel Schaden genommen haben, biete man auch Beratung und Hilfe beim Pflanzen neuer Bäume an. „Gerade bei älteren Stücklesbesitzern empfehlen wir zum Beispiel Nussbäume, die sind weniger pflegeintensiv.“ Verpflichtet sei natürlich niemand, seine Obstbäume von Misteln zu befreien, vielmehr wolle man dazu motivieren, unterstützen und Rat geben, erklärt Thoman.

Bei der Neustrukturierung des Vereins ging es nicht nur um die Besetzung der Geschäftsführerstelle und der Vorstandspositionen, sondern auch um eine sinnvolle Umverteilung der Verantwortungen. So sollen die teilnehmenden Gemeinden eine stärkere Rolle übernehmen; die Geschäftsstelle ist nun bei der Stadt Backnang gebündelt. Dadurch sollen schnellere Entscheidungen möglich sein – vor der Neustrukturierung mussten die Mitglieder über alle Maßnahmen beraten. Der Verein soll so unabhängig von Einzelpersonen handlungsfähig sein und sich insgesamt professioneller aufstellen. Außerdem soll es Projektgruppen geben, in denen sich Mitglieder je nach Interesse einbringen können, sowie einen neuen Social-Media-Auftritt.

Auch hofft der Verein, bald ILE-Region (Integrierte Ländliche Entwicklung) zu werden. Dadurch stünden dann Fördermittel für ein extern beauftragtes Regionalmanagement zur Verfügung sowie ein regionales Förderprogramm. Für Kleinprojekte kann es bis zu 20000 Euro Förderung geben, das Programm ist für sieben Jahre angelegt. „In der Zeit können wir uns ausprobieren und sehen, welche Projekte funktionieren und welche nicht“, sagt Setzer.

Veranstaltungen und Aktionen sollendas Thema in die Öffentlichkeit tragen

Ganz wichtig sei auch die Kommunikation: nicht nur die Vernetzung der Mitglieder und Stücklebesitzer, sondern auch mit der Öffentlichkeit. Dabei sollen besondere Aktionen und Veranstaltungen helfen. Am 29. April zum Beispiel will sich das Schwäbische Mostviertel am europaweiten Tag der Streuobstwiese beteiligen. Geplant sind Aktionen mit verschiedenen lokalen Veranstaltungen. Zum Beispiel gibt es bei einem Backnanger Gastronomen ein spezielles Mittagessen, das aus Produkten der heimischen Streuobstwiesen besteht, bei einem anderen steht heimischer Cidre auf der Getränkekarte. Außerdem ist für den 30. April eine geführte Wanderung auf dem „’sÄpple“-Wanderweg geplant und es soll eine Bastelaktion auf einer Streuobstwiese geben. „Wir wollen, dass die Öffentlichkeit mehr in Kontakt damit kommt, was es auf so einer Streuobstwiese überhaupt gibt“, sagt Nadine Thoman.

Für 2023 will der Verein außerdem das gesamte „Apfeljahr“ mit verschiedenen Aktionen rund um das Thema Streuobstwiesen begleiten: beginnend mit Blütenfesten und Aktionen zum „Bienenauftrieb“ – also dem ersten Ausfliegen der Bienen im Frühjahr – bis hin zu verschiedenen Themenschwerpunkten über das Jahr verteilt, wie beispielsweise die Einbindung von Gastronomien oder Hofführungen.